Die „Online-Lernwelt“ klappt nicht. Gastkommentar einer Schülerin

17. Januar 2023

iPads im Unterricht und Digitalisierung im Klassenzimmer sollen den Schulalltag modernisieren. Stattdessen hängen alle nur am Handy und machen im Internet alles, außer zu Lernen. Eltern und Lehrkräfte sind überfordert, die Schüler:innen selbst genauso, beklagt die Schülerin Nadin Khalil in ihrem Gastkommentar. 

 

„Die Pandemie und das Home-Schooling haben viele Vorteile, wie die Digitalisierung an den Schulen, mit sich gebracht. Es ist gut, dass auch die Kleinen den Umgang mit den Tablets lernen“. Das höre ich oft von vielen Lehrpersonen und Eltern. Aber hat das alles nicht doch mehr Nachteile als Vorteile mit sich gebracht? Ich gehe in die 7.Klasse des Bernoulligymnasiums und bin 16 Jahre alt, bei uns in der Klasse ist es uns überlassen, wie wir unsere Mitschrift führen. Schließlich haben nicht alle in der Klasse ein iPad. 

Wir erinnern uns an das Homeschooling während des Lockdown, der uns alle dazu gezwungen hat, unsere Laptops und Tablets in den Schulalltag zu integrieren. Mittlerweile sind unsere Geräte für uns alle nicht mehr aus dem Schulalltag wegzudenkende Gegenstände und unsere ständigen Begleiter geworden. Immer mehr meiner Lehrerpersonen und Mitschüler: innen schreiben alles auf ihren iPads und Laptops mit. Obwohl ich es bevorzuge, meine Mitschrift händisch zu führen, finde ich das alles für uns Oberstufenschüler: innen sehr praktisch. Aber um uns geht es nicht.  

Die iPads werden im Unterricht so viel wie möglich eingesetzt, nur für alles andere außer zum Lernen.

Seitens der Regierung hieß es, dass Corona uns gezeigt hat, wie wichtig die Digitalisierung ist und, dass wir dies nur durch diese Krise umsetzen konnten. Eine „Online-Lernwelt“, die dafür sorgt, dass die Kinder so viel wie möglich online lernen, sollte geschaffen werden. Vor einem Jahr dann die Idee der "iPad Aktion". Seit dem Schuljahr 2021/22, bekommen die Schüler: innen der fünften Schulstufe jedes Jahr zu Schulanfang stark verbilligte oder teilweise gratis iPads.Das soll zu der Digitalisierung an den Schulen beitragen. 

Aber eine Digitalisierung an den Schulen bedeutet nicht gleich, dass wir einen Fortschritt in der Digitalen Bildung machen. Bislang habe ich nämlich das Gefühl, dass wir den Schülern und Schülerinnen mit der „iPad Aktion“ eher Schaden anrichten als Vorteile bringen.  Dass die 10- und 11-Jährigen nur mehr noch an ihren Bildschirmen kleben wirkt sich sehr schlecht auf ihre schulische, psychische und soziale Entwicklung aus. Wenn ich in meiner Pause in eine 1. Klasse schaue, halten wirklich alle ihre iPads in den Händen. Sie sind so sehr damit beschäftigt zu spielen, dass sie mich nicht wahrnehmen können und reden nur miteinander, um sich wegen eines Spiels anzuschreien. Sie vergessen darauf zu essen, auf die Toilette zu gehen oder ihre Sachen für die nächste Stunde vorzubereiten. Auch im Unterricht bleiben die iPads nicht verschont, statt aufzupassen spielen sie oder terrorisieren sich gegenseitig mit Nachrichten. Die iPads werden also so viel im Unterricht wie möglich eingesetzt, nur für alles andere außer zum Lernen.

Wer soll die Verantwortung übernehmen?

Es ist aber unfair, wenn wir den Kleinen die Schuld dafür geben. Wir können nicht einem 10-jährigen Kind mit dem Umstieg von Volksschule auf Gymnasium ein Tablet in die Hand drücken und von ihm erwarten, dass es weiß, wie es damit umzugehen hat oder denken, dass ihnen dieser Sprung somit leichter fallen wird. Auch wenn es für die fünfte und sechste Schulstufe jetzt das Fach Digitale Grundbildung gibt, ist das Problem damit lange noch nicht behoben. Um den Kinder einen bewussten Umgang mit ihren Geräten beizubringen braucht das sowohl mehr Zeit und Aufwand als 50 Minuten pro Woche, als auch den Einsatz der Eltern. Schließlich können die Schulen nicht kontrollieren, was die Schüler: innen zuhause machen und das ist das große Problem. Ich kenne genug Eltern, die ihre Kinder mit einem iPad „großgezogen“ haben. Also anders gesagt, Eltern, die ihre Kinder meist schon ab dem zweiten Lebensjahr den ganzen Tag verantwortungslos auf ein Bildschirm starren lassen, weil sie sie nicht anders ablenken oder beruhigen können. Vor allem, aber auch weil sehr viele dieser Eltern anstrengende Jobs haben, den ganzen Tag arbeiten und sie daher kaum Zeit haben sich um solche Dinge zu kümmern. Und weil die Handys Teil unseres Lebens geworden sind, ist das für sie die einfachste Methode. Von der Idee der Digitalisierung an der Schule sind sie mindestens genauso begeistert und nehmen keine Kritik, was das betrifft, wahr. Meine Lehrerin hat uns letztens erzählt, dass es sogar manche Eltern gibt, die der Meinung sind, ihr Kind könne im Mathematikunterricht der 1. Klasse schon den Taschenrechner des iPads verwenden, da die iPads schließlich Teil des Unterrichts sind. Ich fand das früher immer schrecklich, dass meine Eltern sehr streng damit sind, wie viel meine Geschwister und ich unsere Handys benutzen und es uns bei übermäßigem Konsum abgesammelt haben, aber mittlerweile bin ich ihnen wirklich dankbar dafür und mache mir bei meinen jüngeren Geschwistern auch keine Sorgen, weil ich weiß, dass meine Eltern alles unter Kontrolle haben und, dass es nicht eskaliert. Meine kleine Schwester, die zu Schulanfang ein iPad bekommen hat, darf es nicht für außerschulische Dinge benutzen.  Ihr Handy hat eine limitierte Bildschirmzeit und die Websites, auf die sie zugreift, werden über die Handys meiner Eltern bewacht. Für ein 10-jähriges Kind finde ich diese Maßnahmen einfach notwendig, weil im Internet sehr vieles schiefgehen kann und ein Kind einfach noch nicht weiß, was es da macht. Grundsätzlich: Digitalisierung – ja bitte! Aber es müssen auch Grundlagen zum Umgang mit Internet und Geräten vermittelt werden, beziehungsweise auch ein kritischer Umgang mit Spielen und Social Media und Kontrolle über die Bildschirmzeit geschaffen werden. Aber wer soll diese Kompetenzen vermitteln? Eltern und Lehrer sind ohnehin sehr überlastet und/oder haben nicht das richtige Wissen dazu. Vielleicht sollte es externe Trainer:innen geben, die an die Schulen kommen?

Die Schulen sollten sich im Allgemeinen einfach mal weiterentwickeln!

Der Versuch der Digitalisierung ist außer Kontrolle geraten, wenn es jemals unter Kontrolle gewesen ist. Ich bin nicht gegen eine Digitalisierung an den Schulen, ganz im Gegenteil. Ich bin sogar eine große Befürworterin davon. Die Schulen sollten sich im Allgemeinen einfach mal weiterentwickeln, denn für unsere heutige Gesellschaft sind wir in den Schulen in sehr vielen Bereichen noch sehr weit hinten. Aber das Ganze muss mit einem genauen Konzept und gut durchdacht und durchgeplant angegangen werden. Es muss eine Verbindung zwischen Schule und Eltern geschaffen werden und bevor die Tablets im Unterricht zum Einsatz kommen, sollte dafür gesorgt werden, dass die Lücken, die von der Volksschule mitgenommen wurden, gefüllt werden. 

Ich werde nicht müde davon über dieses Problem zu reden, weil es ein wirklich eine Thematik ist, die man entnehmen sollte, aber, wenn ich mit Eltern darüber spreche, die ihrem Kind das Handy zur Beruhigung geben, dass übermäßiger Konsum von iPads und Handys der psychischen und sozialen Entwicklung des Kindes schadet, fühlen sie sich angegriffen und meinen, dass ich mich nicht in ihre Erziehungsmethoden einmischen soll und, dass ich sehen werde, wie schwer es ist ein Kind großzuziehen, wenn ich mein eigenes habe. Ich weiß, dass es nicht einfach ist ein Kind großzuziehen, aber ich weiß auch, dass eine Erziehung, die auf YouTube und Spiele basiert keine, Erziehungsmethode ist und ich weiß, dass ich, wenn ich später ein Kind haben sollte, niemals zulassen werde, dass es sich schon in jungem Alter in dieser Medienwelt verliert. Ich möchte nicht dramatisch sein, aber wenn wir so weitermachen, haben wir in den Gymnasien bald Kinder sitzen, die weder richtig lesen, rechnen oder schreiben können, noch soziale Fähigkeiten haben und wahrscheinlich auch unter Konzentrationsproblemen leiden. Wenn das nicht bereits eingetroffen ist.

 

 

 

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